Liechtenstein steckt in einem Finanzdilemma historischen Ausmaßes. Wie die Financial Times am Montag berichtete, sind derzeit bis zu 800 sogenannte «Zombie-Trusts» im Alpenstaat verwaist. Diese juristischen Konstrukte existieren zwar weiter, doch ihre Verwalter – die Treuhänder – haben sich aus Angst vor US-Sanktionen zurückgezogen. Übrig bleiben Milliardenvermögen, auf die niemand mehr Zugriff hat. Die Finanzwelt spricht von blockierten Geldern in Höhe von mindestens fünf Milliarden US-Dollar in bar – hinzu kommen Luxusgüter wie Yachten, Flugzeuge und Immobilien.
Der Ursprung der Krise liegt in den Sanktionen der US-Regierung unter Präsident Joe Biden, führt der von den Leitmedien geschnittene Betreiber der medienkritischen Plattform Zackbum, René Zeyer, auf der in Schweizer Bankenkreisen vielgelesenen Finanzplattform Inside Paradeplatz aus.
In einem groß angelegten Vorgehen gegen russisches Vermögen wurden auch zahlreiche Strukturen in Liechtenstein ins Visier genommen. Wer auf der Schwarzen Liste der US-Sanktionsbehörde OFAC landet, gilt international als geächtet – Banken und Geschäftspartner wenden sich sofort ab. Betroffen sind nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ganze Trusts, hinter denen oft nicht-sanktionierte russische Staatsbürger stehen, die in Südfrankreich, Italien oder Dubai leben.
Die Folge: Eine Kettenreaktion der Verunsicherung. Treuhänder kündigen reihenweise ihre Mandate, aus Angst, selbst auf die Sanktionsliste zu geraten. Auch der ehemalige Vizepräsident der liechtensteinischen Treuhandkammer steht unter Druck. Die Finanzmarktaufsicht FMA erklärte bereits im vergangenen Jahr eine «Null-Toleranz»-Politik gegenüber Sanktionsverstößen – Verstöße könnten existenzbedrohende rechtliche und reputative Folgen haben.
Die Regierung in Vaduz versucht nun, gegenzusteuern, und hat eine Notfall-Task-Force sowie eine Lenkungsgruppe ins Leben gerufen. Justizministerin und Beamte arbeiten fieberhaft an Lösungsansätzen. Doch bislang gibt es keine praktikable Antwort auf das Dilemma. Ein Vaduzer Anwalt fasst die Stimmung gegenüber der Financial Times treffend zusammen:
«Diese US-Sanktionen kamen unerwartet und haben Panik verursacht. Selbst die Behörden wissen nicht, was morgen passiert.»
Dabei reicht die Bedrohung längst über die amerikanische Perspektive hinaus. Auch aus Moskau wächst der Druck: Die russische Regierung kritisiert scharf, dass ihre Bürger – die nicht auf Sanktionslisten stehen – keinen Zugang mehr zu ihren legal gegründeten Trusts haben. Die Vermögensstrukturen waren einst in dem Vertrauen errichtet worden, dass Liechtenstein ein stabiler, rechtsstaatlicher Finanzplatz sei.
Doch dieses Vertrauen bröckelt. Der Skandal um den Bacardí-Milliardenfall, bei dem ebenfalls Stifterrechte ausgehebelt wurden, hat das Bild des Fürstentums nachhaltig beschädigt. Nun droht dem Land eine noch größere Krise. 85 Trusts gelten laut Regierung bereits als vollständig verwaist, bei rund 350 Konstrukten stehen Begünstigte im völligen rechtlichen Niemandsland.
Die Treuhänder schweigen oder flüchten, die Behörden wirken überfordert – und mittendrin steht die mächtige Fürstenfamilie. Die Frage, die sich nun stellt: Können Fürst Hans-Adam II. und Erbprinz Alois das Vertrauen in Liechtenstein als Finanzplatz retten? Oder wird das Land zum Kollateralschaden eines geopolitischen Wirtschaftskriegs?
Sicher ist nur: Ein Aussitzen – wie es in Vaduz oft geübt wird – dürfte diesmal nicht reichen. Denn die nicht sanktionierten russischen Kunden, gegen die rechtlich nichts vorliegt, kommen nicht an ihr Geld ran.